Vom Rollstuhl auf den Elefantenrücken
Auch für Behinderte ist bei Reisen fast nichts
unmöglich
(aus dem Weser-Kurier v. 12.07.1997)
(ap) Ägyptens Pyramiden sind nicht rollstuhlgerecht. Aber sonst
scheint auch für Reisende mit schweren Behinderungen fast nichts mehr
unerreichbar. Die Königsgräber von Luxor und die römischen
Katakomben, die tunesische Wüste im Jeep, der Colorado-River im Schlauchboot,
der asiatische Dschungel auf einem Elefanten. "Die machen wirklich
das Unmögliche möglich" sagt Rollstuhlfahrer Andreas Kiemes
über die inzwischen hochspezialisierten Anbieter von Behindertenreisen.
Während noch Ende der 30er Jahre praktisch niemand in Deutschland
professionell Urlaubsfahrten für Schwerstbehinderte organisierte,
gab es 1990 knapp 100 Spezialveranstalter. Allein beim Pauschalanbieter
TUI, der als einziger der Großen einen Zusatzkatalog herausgibt,
verfünffachte sich die Zahl der Reisen von Behinderten und ihren Begleitern
seit 1980 auf 11500. Doch obwohl der Markt weiter wächst und Menschen
trotz Handicaps immer mehr ausprobieren, wartet oft immer noch ein Hindernisparcours
auf die Reiselustigen.
Der "Spießrutenlauf" beginne bei der Buchung, sagt Yvo
Escales, Autor der Führer „Reisen für Behinderte" und "Handicaped-Reisen".
Informationen über Hotels seien von den großen Veranstaltern
kaum zu kriegen. Wenn es sie gebe, könne man nie ganz sicher sein,
ob die Badtür auf Gran Canaria tatsächlich 80 Zentimeter breit
und damit rollstuhltauglich sei.
Offenbar zeigen viele Hoteliers zwar inzwischen guten Willen, aber sie
haben wenig Erfahrung mit besonderen Schwiengkeiten - so beschreibt es
auch Kiemes, der als EDV-Spezialist beim Unfallopfer-Hilfswerk arbeitet
und privat regelmäßig ins Ausland reist. In einer Umfrage des
Hilfswerks unter rund 3000 deutschen Hotels schrieben etwa 1000 mit Angeboten
oder Interesse an Behinderten zurück. Darunter waren allerdings Kiemes
zufolge auch Antworten wie: Aufzug vorhanden, nur sieben Stufen zum Einstieg.
Das sei für Rollstuhlfahrer witzlos, sagt Kiemes.
Um Behinderte nicht im Regen stehenzulassen und keine Regreßansprüche
zu riskieren, müßten alle Angaben einzeln überprüft
werden, und das sei langwierig und teuer, berichtet Escales, der für
seine Reiseführer seit 1984 auf Testfahrten geht. TUI hat nach Angaben
von Sprecher Bernd Rimele seit 1980 ebenfalls Hunderte von Hotels überprüft
und schließlich 330 in einen besonderen Informationskatalog für
Behinderte aufgenommen. Wer sich als Rollstuhlfahrer nicht auf die Informationen
anderer verlassen will, vertelefoniert selbst schnell viel Geld, wenn er
Details erfragen muß. Nicht nur deshalb ist Reisen für Behinderte
nach Escales' Erfahrung oft teuer. Es seien immer noch häufig Hotels
in gehobener Preisklasse - meist internationale Ketten -, die zuverlässig
rollstuhltaugliche Zimmer anböten. Auch brauchen Schwerbehinderte
in der Regel die Hilfe eines Begleiters, für den sie oft noch mitbezahlen.
Bei organisierten Reisen, die auch die nötige Technik wie Busse mit
Aufzug oder Schiffe mit Dialysegeräten bieten, helfen Profis. Das
richtige Helferteam sei unerläßlich, meint Peter Grabowski,
selbst Rollstuhlfahrer und als Veranstalter von Abenteuerfahrten einer
der Pioniere in der Szene.
Informationen gibt es unter anderem bei der "Arbeitsgemeinschaft
Reisen für Behinderte", Postfach 1543, 53005 Bonn, oder beim
Unfallopfer-Hilfswerk, Donnersmarckallee
8, 13465 Berlin .