Integration Behinderter

(aus dem Weser Kurier v. 15.05.1997)
Heideweg für Rollstuhlfahrer
Drei Kilometer langer "Rolli-Weg" im Herzen des Naturparks Lüneburger Heide

L ü n e b u r g (dpa). In der LüneburgerHeide können jetzt erstmals auch Rollstuhlfahrer problemlos einen niedersächsischen Naturpark erkunden. Kerstin Staudte, 21 Jahre alte Studentin des Grundschullehramts in Hamburg, testete jetzt als erste Rollstuhlfahrerin den neuen "Rolli-Weg".Der drei Kilometer lange Rundkurs im Herzen der Lüneburger Heide beginnt und endet westlich von Niederhaverbeck im Landkreis Soltau-Fallingbostel. Gehbehinderte können jetzt die ganze Vielfalt der Landschaft von Bachläufen, versumpften Flächen, Grünland bis zu Erlenbrüchen, trockenen Heiden und Hügelgräbern aus der Bronzezeit erleben. Die überwiegend sandigen Wege im Naturschutzpark waren für Rollstuhlfahrer bislang unüberwindbare Hindernisse. Aber auch Strecken mit Kopfsteinpflaster und steile und holprige Abschnitte vesperrten den Behinderten das Naturerlebnis. Ein spezielles Kiesgemisch hat dem Dilemma jetzt ein Ende gemacht. "Die Finanzierung allerdings war ein Abenteuer für sich", berichtet Jens Tönnießen vom Verein Naturschutzpark (VNP) in Niederhaverbeck. So habe zum Beispiel die "Aktion Sorgenkind" abgewunken mit dem Hinweis, Behindertenhilfe sei keine Aufgabe des VNP. Die 50 000 Mark für den Rolli-Parcours kamen schließlich aus den letzten vom Land gezahlten Naturpark-Mitteln, von einer Versicherung und privaten Spendern. "Hersteller von Rollstühlen waren leider nicht zur Mitfinanzierung zu bewegen, auch keine Krankenkassen" , bedauert Tönnießen. Ins Rollen war das einzigartige Projekt letztlich durch Kerstin Staudte gekommen, die nach einem unverschuldeten Unfall mit 16 Jahren querschnittgelähmt wurde. Tönnießen lernte sie kennen, als sie nochSchülerin in Munster war. Bei einer Heidetour wurde ihr ein einziges Grasbüschel zum Verhängnis - sie kippte mitsamt ihrem Gefährt um. Ähnliche Erfahrungen machte der VNP, als eine Führung mit Rolli-Fahrern abgebrochen werden mußte, weil die Fahrzeuge mit ihren kleinen Vorderrädern nicht über Erosionsrinnen hinwegkamen. KerstinStaudte erarbeitete mit einem Ingenieur den neuen Modell-Weg, auf dem es in der ansonsten "unmöblierten" Landschaft auchTische und Bänke gibt.


Rollstuhlfahrerin Kerstin Staudte eröffnet im Beisein der Regierungspräsidentin von Lüneburg, Ulrike Wolff-Gebhardt, in Niederhaverbeck den ersten "Rolli Weg". Dieser rollstuhlgerechte Wanderweg führt über drei Kilometer Länge durch den Naturschutzpark Lüneburger Heide.