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Der Erwerb von Knoops Park

Aus den Lebenserinnerungen des ehemals amtierenden Lesumer Bürgermeisters, Fritz Köster, wird zitiert:

"Im Jahre 1937 setzten meine Bemühungen ein, den etwa 450 000 qm großen Park, "Mühlenthal", den geschäftstüchtige Architekten und Makler zersiedeln wollten, zu retten und von der Gemeinde zu erwerben. Die schwierigen Verhandlungen hatten mich physisch und psychisch so zermürbt, daß ich auf Veranlassung unseres geschätzten Hausarztes, Dr. Werner, nach Hahnenklee zur Kur geschickt wurde. Nach drei Wochen Aufenthalt in Hahnenklee mußte ich wegen Knoops Park ( Mühlenthal ) zu Verhandlungen nach Berlin."

Das "Niederschriftsbuch der Gemeinde Lesum" enthält die Eintragung vom 17.Februar 1938: "Gemeinderat Schweers gab die Anregung, den südlichen Teil des Knoopschen Parks zu beschlagnahmen und ihn in einen öffentlichen Park umzuwandeln."
Zeittafel 
1859  Baron Knoop kauft das Landgut St. Magnus und erwirbt 1861 durch Ankauf weitere Grundstücke zum Bau eines "Schlosses". Der Bremer Architekt Gustav Runge erhält 1868 den Auftrag. Er entwirft ein Landhaus im englischen Tudorstil und der Burgdammer Maurermeister Heinrich Wilhelm Warncke übernimmt die Bauausführung. 
1871  Am 2. März 1871 zieht die Familie Knoop ins "Schloß Mühlenthal". Den Park hatte Franz Wilhelm Benque entworfen.
1894  Baron Knoop stirbt am 16. August 1894. Mühlenthal versinkt in einen Dornröschenschlaf. 
1917  Nach der Oktoberrevolution in Rußland gehen sämtliche Knoopschen Textilbetriebe bis auf das Werk Kränholm in Estland entschädigungslos in den Sowjetstaat über. 
1918  verstirbt Baron Johann Knoop, der letzte aus der Familie, der noch die Geschäfte zu führen vermochte. 
1932  Für Knoops Park bildet sich ein Konsortium. Zwanzig bremische Firmen schließen sich zusammen, um das Gelände zu übernehmen und aufzusiedeln. - Kein Käufer läßt sich finden, es sind die Parzellen zu groß.
1933  Am 25. Mai 1933 beginnt der Abbruch des Schlosses. - Louis Seegelken, der für Berliner Banken, denen Schloß und Park von den Erben übereignet worden waren, den Besitz verwaltete, sah sich außerstande die fälligen Steuern aufzubringen, da nach einem Bericht von Friedrich Kühlken 1932 "Möbel und Hausrat schon fast gänzlich verauktioniert" waren. 
1936  Aus Burgdamm, Lesum und St. Magnus bildet sich eine neue Großgemeinde. Der alte Gemeindevorsteher von St. Magnus, Gerhard Mahlstedt, trägt dem jungen Bürgermeister Fritz Köster den Wunsch vor, die wachsende Finanzkraft der neuen Gemeinde zum Erwerb von Knoops Park zu nutzen. Der Park soll aber in seinem Kern erhalten bleiben und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Ferner ist am 23. Juni 1938 der Entschluß des Gemeinderats Lesum niedergeschrieben: "Angebot vom 1. Juni 1938 über den Erwerb des Landguts "Mühlenthal" für 436 417 qm zum Preise von 200 000 Reichsmark anzunehmen und zu diesem Zweck eine Anleihe in Höhe des Kaufpreises aufzunehmen. Der nördliche Teil, ca. 315 000 qm, ( soll ) ganz für Wohnsiedlungen aufgeschlossen werden - der übrige Teil als Park." Hierzu schrieb Köster ergänzend folgendes: "Nach schwierigen Verhandlungen und Überwindung von Widerständen, die insbesondere von der Nachbarstadt Bremen ausgingen, gelang es mir endlich, das Landgut "Mühlenthal" ( Knoops Park ) mit

450 000 qm für 200 000 Reichsmark = RM 0,45/qm von der Vermögensverwaltung Knoop-Erben, der Deutschen Kreditsicherung in Berlin, für die Gemeinde Lesum zu erwerben. Als der Senat von Bremen gemerkt hatte, daß er mit seinen Eingaben und Querschüssen nichts hatte ausrichten können, suchte er die direkte Verbindung zu mir. Eines Tages erschien eine Abordnung, bestehend aus dem Präsidenten, Dr. Duckwitz, vom Senator für Finanzen und dem Oberregierungsrat, Behrens, vom Senator für Inneres, auf dem Rathaus in Lesum, um mit mir zu verhandeln. Ich war zu dem Zeitpunkt in Bremen und ließ die Herren wissen, daß ich am Nachmittag um 16.00 Uhr im Rathaus Bremen für sie zur Verfügung stände. Meine Verhandlungen mit Dr. Duckwitz an diesem Tage verliefen dann sehr harmonisch und endeten mit einem "Gentlemen-Agreement" von dem keine preußische Regierung, die ja damals noch meine Aufsichtsbehörde war, etwas erfuhr.

Bremen war besorgt gewesen, daß das ganze Grundstück zersiedelt würde und wollte deshalb Einfluß gewinnen, obwohl es sich immer noch um Lesumer und damit um preußisches Hoheitsgebiet handelte. Der Senat war jedoch der Ansicht, daß die Eingemeindung von Lesum nach Bremen unmittelbar bevorstände. Ich wollte und konnte von Bremen keine Weisungen entgegennehmen, willigte aber ein, mit der Besiedelung des nördlichen Teils des Parks zwischen der Straße "Am Hohen Ufer" und der Eisenbahn im Osten statt - wie ursprünglich vorgesehen - im Westen zu beginnen. Damit entfielen die Bedenken des Senats. Die historische Bedeutung dieser Vereinbarung stellte sich ein Jahr später heraus.

Für die landschaftlich nicht so wichtigen Bereiche wurde sofort ein Bebauungsplan in Angriff genommen; der besonders schöne Südteil des Parks zwischen der Straße "Am Hohen Ufer" und der Lesum, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von dem bekannten Gartengestalter Benque, der auch Schöpfer des Bürgerparks in Bremen war, errichtet worden war, wurde, - nachdem das Gelände zwanzig Jahre brachgelegen hatte - wieder hergerichtet und am ersten Pfingsttag 1939 mit einem Gartenkonzert im Beisein von mehreren hundert Bürgern aus der näheren und weiteren Umgebung der Öffentlichkeit übergeben."
Zeittafel 
1939  Lesum wird zu Bremen "eingemeindet". Im Reichsgesetzblatt bestimmt die "Vierte Verordnung über den Neuaufbau des Reichs vom 28. September 1939" in § 2: "Die Gemeinden Lesum, Grohn, Schönebeck, Aumund, Blumenthal und Farge (Landkreis Osterholz), Hemelingen und Mahndorf (Landkreis Verden) werden aus dem Lande Preußen (Provinz Hannover) aus- und in das Land Bremen sowie in die Stadt Bremen eingegliedert" ³².   

³² Reichsgesetzblatt. Teil I, 1939, Nr. 204, 18.10.1939,  
    S. 114 (mit Bild), 2041.  

Der Schreiber dieser Zeilen war von 1936 - 1939 Angehöriger der Gemeindeverwaltung Lesum. Er erinnert sich, daß 1938 wegen der hohen Kosten für die Aufrüstung Kommunalkredite gesperrt waren und es dennoch dem Bürgermeister gelungen ist, die Finanzierung zu sichern. Ferner war damals zu vernehmen, daß der Gesamtverkaufspreis für die abgezweigten Wohngrundstücke höher war als der Erwerbspreis von RM 200000.q

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KARL-HANS SCHNIER