Von Bremen über die Burger Brücke kommend schweift der Blick über die Weitläufigkeit der Wiesen, und man genießt den Anblick des glitzernden Bandes der Lesum, gekrönt von der alles überragenden St. Martini Kirche. – Doch eine ebenso vertraute Ansicht bot uns früher zur rechten Seite die Windmühle auf dem Burgdammer Berg, die weit ihre Flügel in den Himmel reckte und als ein Wahrzeichen in die Geschichte des alten Burgdamms einging.
Die erste Windmühle in Marßel ließ der
bremische Bürgermeister Diedrich Hoyer (1583 - 1625 ), der am 2. April
1618 das Gut Marßel erworben hatte, bauen. 1652 heißt es darüber,
daß dieselbe „auf der Höhe des Geestlandes erbaut“
worden sei. Noch 1857 mußte der Müller an Gut Marßel jährlich
70 Thlr (Thaler) „Windgeld“ zahlen“.
Aus der beglaubigten Abschrift des alten, vom Erzbischof
Friedrich von Bremen erteilten Mahlbriefes vom 27. März 1620 geht
hervor, daß dem Bürgermeister D. Hoyer und seinen Erben feierlichst
der Wind zum Mahlen „in Gnaden erstattet und verliehen“
und zugesichert, daß „Niemand anders auf eine halbe
Meile Weges rund herum dergleichen aufstellen und haben mögte.“
Die erzbischöflichen Beamten wurden angewiesen, darauf zu achten,
daß dieses Privileg nicht beeinträchtigt werde. Die um 1620
errichtete Windmühle war eine Bockmühle, die gewiß nach
niederländischem Vorbild gebaut wurde.
Die Witwe Hoyer verkaufte das Gut Marßel
lt. Lüder Halenbeck am 25. Oktober 1642 an Arend von Hude.
Urkundlich erwähnt ist schließlich Johann
Wilhelm Meyerholz (1762 - 1823) aus Embsen bei Achim, verheiratet mit Beke
Voller (1779 - 1851), dessen „Meierbrief“, ausgestellt am 1. Januar 1794
vom Baron von Lilienburg, „Erb- und Gerichtsherr des Adlich freies Guts
zu Marßel“, noch in Kopie vorhanden ist. Unter ihm vollzog sich im
Betrieb der Windmühle ein rascher Aufschwung, der ihr Wesen grundsätzlich
veränderte. 1796, so berichtet Heinrich Hopps „wurde dem Müller
J. W. Meyerholz zu Marßel, die Anlegung eines Grütze-, Graupen-
und Schell-Gersten-Ganges in seiner – an das dasige Gut gehörenden
Mühle“ gestattet.
1804 wurde die fast 200 Jahre alte Bockmühle
durch eine für die damalige Zeit moderne Holländermühle
ersetzt.
Lüder Meyerholz hinterließ keine letztwillige
Verfügung. Das Erbe fiel ungeteilt an den ledigen ältesten Sohn
und letzten Windmüller Christian Meyerholz (1864 - 1917).
Nach
seinem Tod verkaufte die Erbengemeinschaft den gesamten Grundbesitz an
den Müller Johann Röben in Aumund Lobbendorf. Eigentümer
wurde 1921 dessen Sohn, der Müllermeister Heinrich Röben (geb.
29.07.1883 in Dangast, gest. 12.12.1964), seine Ehefrau war Louise Wilhelmine,
geb. Müller (13.07.1895 in Meyenburg, gest. 21.10.1971). Heinrich
Röben, der letzte Windmüller, berichtet in seinen Aufzeichnungen:
„Dieselbe enthielt einen Grützgang für Hafergrütze,
einen Gerstenschäl- und Pellgang zum Herstellen von Graupen, einen
großen Schrotgang von 1,85 Meter im Durchmesser."
Dieser Gang war wohl der größte in der ganzen Umgebung. Sodann
einen Schrotgang von 1,50 Meter und einen Weizengang mit Beutelkissen zum
Herstellen von Roggenfeinmehl und Weizenmehl. Im Jahre 1821 beklagte sich
der Müller Menke aus Ritterhude, daß die Meyerholzsche Windmühle
zu viele Mahlgänge enthalte. Die Klage wurde aber vom Gericht in Stade
abgewiesen, da die Meyerholzsche Mühle für diese Zahl der Gänge
seit 1804 eingerichtet war und Meyerholz schon seit 1620 das Mahlrecht
hatte.
In der 40jährigen Ära sprach man von
„Röbens Mühle“. Die Motormühlen waren erfunden, und eine
solche stand bald auf Röbens Hof. Mit ihr war man nicht mehr vom Wind
abhängig, und es konnte rationeller gearbeitet werden. Vor allem entfiel
die Nachtarbeit. 1926 wurden die Flügel der Mühle entfernt, und
am 13.02.1964 genügten 5 kg Dynamit, um das einstige Burgdammer Wahrzeichen
innerhalb von Sekunden in einen Trümmerhaufen zu verwandeln.
Dieses Grundstück ging 1957 in den Besitz des Müllermeisters
und Landwirts Edwin Lang und Erna, geb. Geisler über. Der älteste
Gebäudeteil, das Wohnhaus, stammt aus dem Jahre 1804. Edwin Lang handelte
mit Getreide und Futtermitteln. In dem dreistöckigen Lagerhaus war
eine Motormühle in Betrieb. Gegenüber ihrer Vorgängerin,
der Windmühle, die hier über Jahrhunderte unweit dieser Stelle
ihren Platz behauptete, führte sie ein verstecktes Dasein. – Vor dreizehn
Jahren verwandelte die Firma Durasiok & Issel das triste Lagerhaus
in einen modernen Autosalon. Soweit die Schilderung der derzeitigen Verhältnisse.
Nachzutragen ist noch, daß die Hofgebäude
bei einem Fliegerangriff im Jahre 1943 durch Brandbomben stark beschädigt,
bzw. gänzlich zerstört worden sind. Der Dachstuhl des parallel
zur Straße stehenden langen Bauernhauses brannte wie Zunder. Das
auf dem Boden lagernde Getreide verhinderte ein schnelles Übergreifen
der Flammen auf die darunterliegenden Wohn- und Wirtschaftsräume.
Viele Helferinnen und Helfer waren zur Stelle, so daß die Wohneinrichtung
zum großen Teil geborgen werden konnte.