In unserer Artikelserie wollen wir heute an die ehemalige Firma Peter Vielstich erinnern, die im März 1981 ihr 100-jähriges Geschäftsjubiläum begehen konnte.
Bis
in die vierte Generation wurde in dem bekannten Fachwerkhaus in der Straße
„Hinter der Lesumer Kirche“ ein Getränkegroßhandel unter dem
Namen .“Vielstich“ geführt.
Am 01.08.1995 ist das Geschäft an die langjährige
Mitarbeiterin Ruth Haßmann übergeben worden, die unter der Bezeichnung
“Lesmona Getränkeservice" ein gutsortiertes Lager edler Weine, Spirituosen,
Biere und Mineralwasser anbietet.
Gute Warenkenntnis, Computertechnik zur Unterstützung
der Geschäftsführung und der hinzugekommene Bringedienst sind
die Grundlagen für eine kundenfreundliche Beratung und Betreuung.
Der Service wird dadurch erweitert, daß auch am Samstag die Anlieferung
der bestellten Ware für evtl. Festlichkeiten erfolgt.
Anläß1ich des 100-jährigen Geschäftsjubiläums war am 18.03.1981 im BLV-Blatt unter der Rubrik .“Geschäftliche Mitteilungen“ folgender Bericht zu lesen:
„Geschäftliche Mitteilungen
100 Jahre Firma Peter Vielstich
Im März 1881 eröffnete Peter Vielstich, Sohn des Tonwarenfabrikanten
Lüder Vielstich, eine Mineralwasserfabrik in Bremen-Lesum. Schon nach
wenigen Monaten nahm er auch Spirituosen und Weine mit in sein Lieferprogramm.
Die alten Geschäftsbücher und Unterlagen sind größtenteils
noch erhalten und man kann feststellen, daß auch damals Lieferbereich
schon weit nach Bremen hereinreichte und nahezu das ganze Osterholzer Gebiet
umfaßte. Auch ist die Feststellung interessant; daß eine ganze
Reihe von Kunden der Firma über Generationen hinweg die Treue hielten
Im Zeitalter der Nostalgie interessieren die Vorgänge von
vor 100 Jahren und es macht Freude, in den alten Büchern und Unterlagen
zu forschen. So finden wir auch interessante Preisaufzeichnungen aus den
ersten Geschäftsbüchern.
Peter Vielstich heiratete 1884 die Tochter des Schuhmachers Diedrich
Wellbrock und verlegte damit sein Geschäft in das 1784 erbaute alte
Fachwerkhaus, in dem es sich heute noch befindet. Jeder Firmeninhaber vergrößerte
das Haus durch An- und Umbauten und so sieht man heute den alten gut erhaltenen
Giebel mit einem modernen Anbau.
1925 übernahm der Sohn Diedrich Peter Vielstich das Geschäft.
Der Anfang war für ihn nach der Inflation sehr schwer. Aber er schaffte
es und brachte die Firma auch über den 2. Weltkrieg, der heutige Inhaber,
Peter Vielstich, wurde ebenfalls gründlich in der Branche ausgebildet.
Er sorgte dafür, daß auch Biere mit in das Lieferprogramm aufgenommen
wurden. 1963 trat er als Teilhalber in die Firma ein und führt sie
seit 1966 alleine. Es besteht Aussicht, daß das Geschäft auch
in der 4. Generation von dem Sohn des jetzigen Inhabers weitergeführt
wird. Die Firma Peter Vielstich gibt aus Anlaß des Jubiläums
am 23.März 1981 von 11-13 Uhr einen Empfang in dem alten Geschäftshaus
An der Lesumer Kirche 22“
Darüber hinaus hat Volker Wesslau über die Familien Vielstich und deren Geschäftsentwicklung im Jahre 1984 einen Aufsatz geschrieben, den wir mit seiner der freundlichen Zustimmung hier im Abdruck bringen dürfen.
Hans Vielstich:
Bauernhaus mit Geschichte
Aus dem Lesumer Ortsbild nicht fortzudenken ist das alte
Fachwerkhaus An der Lesumer Kirche 22 mit den beiden Eichen davor. Jetzt
wurde es genau 200 Jahre alt. Erbaut wurde es von einem Tönjes Tweitmann,
dem Sohn des aus Burgdamm stammenden Gerd Tweitmann, und dessen Ehefrau,
wie jeder Passant noch heute am Türbalken des Frontgiebels nachlesen
kann. Die jetzigen Besitzer, Peter Vielstich und Ehefrau Edeltraud, Inhaber
einer alteingesessenen Getränkefirma, wollen den 200. Geburtstag ihres
Hauses, das im Laufe der Jahre so manche An- und Umbauten erlebte und in
dem ein Stück Lesumer Geschichte mitgeschrieben wurde, natürlich
angemessen feiern. Ein zweites Jubiläum kann dabei gleich mitbegangen
werden: Die Vielstichs sind nämlich 1984 runde 100 Jahre in dem Niedersachsenhaus
ansässig.
Der erste Peter Vielstich, ein Sohn des Tonwarenfabrikanten
Lüder Vielstich, hat 1881 eine Mineralwasserfabrik in Lesum gegründet.
Nach seiner Heirat mit Adelheid, der Tochter des Schuhmachermeisters Diedrich
Wellbrock, ließ er sich in dem alten Bauernhaus nieder. Von nun an
wurde unter niedersächsischem Fachwerk jene Zitronenbrause „Lesmona“
hergestellt, die sich um die Jahrhundertwende nicht nur in Lesum großer
Beliebtheit erfreute.
Die alten Lesumer können sich noch an jene merkwürdig geformten Flaschen erinnern, in dessen ausgebuchteten Hälsen kleine Glaskugeln kollerten, die von der Kohlensäure gegen den oberen Innenrad der Flaschen gepreßt wurden und sie so verschlossen. Ein einfacher Druck mit dem Zeigefinger genügte, um die Flaschen zu öffnen. So mancher Glasboller wurde damals von der Jugend zweckentfremdet, die die Flaschen zerschlug, um die Kugeln zum Murmelspiel zu gebrauchen.
Einige unbeschädigte Brauseflaschen und andere Zeugnisse aus der Firmengeschichte, darunter Geschäftsunterlagen aus der Zeit, als die Flasche Cognac noch eine Mark kostete, werden noch heute von Edeltraud Vielstich 1iebevoll bewahrt. Sie hütet auch weitere Dokumente aus der Geschichte des Hauses und seiner Besitzer. Steuerlisten befinden sich in ihren alten Schätzen, Meyerbriefe und Eheverträge. Auch Protokolle über einen merkwürdigen Streit um einen alten Kirchenstuhl aus dem Jahre 1846 befinden sich darunter.
Mehrere Lesumer, darunter die Familie des damaligen Besitzers des Bauernhauses, Tweitmann, hatten sieh gemeinschaftlich einige Plätze in einem Kirchenstuhl der Lesumer Kirche gekauft. Eines Sonntages fand Tweitmann an allen Plätzen die Namensschilder der Mitinhaber vor, meinte erbost, „So geht's nicht“ und zog vor Gericht.
Der Kläger fand, daß er unter diesen Umständen „von der Benutzung des Kirchenstuhls ausgeschlossen erscheine und befürchten müsse, daß er, wenn er sich dabei beruhige, sein Recht an den Kirchenstuhl, welches bereits seinem Vater und Großvater zugestanden, gänzlich verlustig gehe“, wie im damaligen Protokoll nachzulesen ist.
Man einigte sich: Auch Tönjes Tweitmann durfte sein Namensschildchen anbringen lassen. Außerdem wurde festgelegt, daß jeder Familie am Sonntag nur ein Platz zustehe in dem gemeinschaftlichen Kirchenstuhl, so daß keine Partei zu kurz kommen konnte.
Auch die Vielstichs haben ihre besonderen Beziehungen
zur Lesumer Kirche: In ihrem Haus hängt noch ein altes Foto aus dem
Jahre 1921. Darauf ist Peter Vielstich senior zu sehen, wie er gerade,
von vielen Schaulustigen begleitet, mit einem Pferdefuhrwerk die Glocke
einholt, die seine nach Amerika ausgewanderte Schwester Ann für die
Lesumer Kirche gestiftet hatte. Diese Glocke existiert nicht mehr, denn
sie wurde während des Zweiten Weltkrieges eingeschmolzen.
Solche Erinnerungen werden wieder wach, wenn man in der
Geschichte des Hauses "An der Lesumer Kirche 22“ zurückblättert.
Der Erbauer würde sein altes Anwesen wohl nur noch mit Mühe wiedererkennen.