Zurück zur Anfangsseite Heimatliche Geschichte...

Zigarrenmacher in Lesum und Burgdamm
 

Ludwig Schmidt bei der VorführungIm Rahmen der 4. Burglesumer Kulturtage Sommer in Lesmona '97" wurde die alte "Handwerkskunst des "Zigarrendrehens" mit einem "Tag der offenen Tür" am 24. und 25 . Juni im Zigarrenmacher-Zimmer des Heimat- und Verschönerungsvereins Lesum durch den Zigarrenmacher Ludwig Schmidt vorgeführt, wobei Otto Gorke, der das Handwerkerzimmer betreut und die alten Arbeitsgeräte zur Zigarrenherstellung hegt und pflegt, ihm assistierte.
 
 
>Im Winter seeten wi noch bi di Petroleumlampe< (Ludwig Schmidt, Zigarrenmacher) 
 

Ludwig Schmidt stammt aus einer Zigarrenmacher-Familie. Opa,  Oma, Vadder, Mudder, die Frauen selbstverständlich auch; denn "'ne Frau, die'n Zigarrenmacher heiratete, die wußte das, die mußte helfen".
 "lm Winter seeten wi noch bi de Petroleumlampe. " Und er erinnert sich an den Tag, da die Schmidts elektrisches Licht bekamen. Vadder Schmidt war so angetan von dieser technischen Errungenschaft, gleichzeitig aber auch wohl etwas besorgt in Anbetracht der mit dem Elektrischen verbundenen unsichtbaren Gefahren, daß er seinem Sohn Ludwig mit einem energischen "Dat du mi dar nich bigeihst !" strengstens untersagte, das Licht an- und auszuknipsen. Das war einzig und allein Vadders Sache.

 
Ein Blick zurück 
Die Zigarrenindustrie hatte in den siebziger und achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts in Lesum und Burgdamm oft bis zu 300 Zigarrenmachern Brot und Arbeit vermittelt. Die Wanderschaft trug dazu bei, daß  sie manchen Zigarrenmacher nach Bremen führte. Bedingt durch den größten Tabakhafen Deutschlands und dem bremischen Zigarrenmacherdorfe Hastedt, blieb mancher Zigarrenmacher hier hängen. Aber auch Zugereiste sahen eine Existenzmöglichkeit, wurden somit ansässig und Einheimische wandten sich ebenso dem blühenden Berufe zu.
 Besonders in unserer Region machte so mancher Schiffszimmermann beim Rückgang des Holzschiffbaues aus der Not eine Tugend und wurde Zigarrenmacher; oder Seefahrer, die den Strapazen der Fahrt keinen Geschmack mehr abgewinnen konnten, gingen zum Tabak über. Neben der Seefahrt wurde die Zigarrenmacherei die beste Einkommensquelle der Kleinbevölkerung. Die Löhne waren nicht allzu hoch, so daß Frauen und Kinder mithelfen mußten. Zusätzliche Landarbeit, eine oder zwei Ziegen und bescheidene Lebensansprüche ermöglichten somit den oft zahlreichen Familien ein Durchkommen.
  So wurden z. B. gerade von solchen Anbauern die Grenzgebiete der Feldmark, Moor und Heide ( heute: Steinkamp und Bördestraße ), urbar gemacht. Es gilt ihre Verdienste hervorzuheben, denn sie sind unermüdliche und fleißige Pioniere in der Gemeinde gewesen. Eine ganz besondere Rolle spielte in der Landwirtschaft dieser Leute dabei der Anbau von Flachs. Gerottet wurde er beispielsweise am Mühlenbruch, und die eingesessenen Leineweber waren die damaligen Abnehmer.
 Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts fing Johann Friedrich-Wilhelm Knoche mit der Zigarrenherstellung in Lesum an. Doch ist zu erwähnen., daß lange vor Knoches Zeit, nämlich im Jahre 1823  schon in Lesum Zigarren fabriziert wurden. Die Firma hieß Christoph Hanewinkel u. Cp. und befand sich im Brüningschen Hause in der Schneiderstraße in Lesum.
 Auf dem bremischen Markt war der Tabak  von außerordentlicher Güte und Qualität. Es war Usus, daß doch damals die Importeure oft ihre eigenen Söhne als Vertrauensleute z. B. nach Bahia schickten. Diese ritten in die Anbaudistrikte und sicherten sich durch Barvorschüsse an den Pflanzer die besten Lagen. Sie kauften sozusagen die ausgesuchte kommende Ernte auf dem Halm. Auf der langen Heimreise gärte der schwarze, ausgereifte Brasil in den Bäuchen der hölzernen Schiffe ihrer Väter durch, und so kam ein vorzüglicher Brasiltabak auf den Bremer Markt. Er wurde weitgehend am Platze oder in der Umgebung verarbeitet, und das fertige Erzeugnis, die Bremer Brasil, genoß einen besonderen Ruf.

Knoches Erfindung: die Formzigarre

In Knoches Betrieb - zunächst auf dem Mönchhofe - später in Lesum-Burgdamm in der Bremerhavener Heerstraße 7 ( früher Bahnhofstraße 123 ), dem Sitz des Heimatvereins Lesum seit 1976,  waren 60 Leute mit der Fabrikation von Zigarren beschäftigt. Auf Knoche geht die Erfindung des Zigarren-Formen-Wickels zurück. Ein hölzernes Brett, in dem Rillen, sauber ausgeschnitten und geglättet, waren. Sie hatten alle die Form und Größe der Zigarren. Hier wurden die Tabakeinlagen mit Wickel und Auflage hineingetan, mit einem exakt dazu passenden Deckel versehen und mit einem Spindelhebel aufgepreßt; heraus kamen die ersten Formzigarren. Ausgeheckt hatte Knoche diese Erfindung auf dem beschaulichen Mönchhofe in Lesum, wo er auch einen Zigarrenmachergesangverein gründete.
 Die Einrichtung der hölzernen Formen setzte sich durch und nahm ihren Siegeslauf durch die gesamte Zigarrenindustrie. Nur die Küper- oder Probezigarre wird noch nach alter Weise mit dem Finger gedreht.
 Nicht  unerwähnt  lassen  möchte ich Friedrich "Seecamp", der aus Hemelingen stammte und nach seiner Wanderzeit 1848 als Zigarrenmacher nach Burgdamm kam und 1849 eine "Cigarrenfabrik" gründete, die vor dem 1 . Weltkrieg 31 Zigarrenmacher in Heimarbeit beschäftigte. Diese begonnene Zigarrenfabrikation wurde bis 1956 als Haupt- und später als Nebenberuf betrieben ( wir berichteten im Lesumer Boten, Nr. 13 über die Firmengeschichte des Versicherungsgeschäftes "Seekamp" in der Stader Landstraße 15 in Burgdamm ). Die Tüchtigkeit und der Fleiß der Zigarrenmacher waren sprichwörtlich. Sie waren eine standesbewußte Zunft; die sich der Ausbildung und den Obliegenheiten ihrer Lehrlinge annahm: war man sich doch einig, daß eine gute fundierte Ausbildung Ehrensache und die Angelegenheit aller war.
 Ihre Aufgeschlossenheit neuen Dingen und Erkenntnissen gegenüber, ihr Freiheitsgeist bedingt durch die Einflüsse der Wanderschaft und auch durch Fremde von außen ließen es zu, daß Ideen von Ferdinand Lassalle aufgegriffen und verfestigt wurden. - Die Zigarrenmacher gründeten schon damals eine Reise- und eine Krankenkasse.
 Ich hoffe, Ihnen mit diesem Bericht eine kleine Veranschaulichung über die Aktivitäten der Zigarrenmacher aus unserer Region gegeben zu haben.
 Ferner möchte ich nicht versäumen, mich bei der Firma Ehllmering, Köhne & Co. GmbH, Am Wall 196 in Bremen und deren Mitarbeiter Herrn Bornemann zu bedanken, der für unser Zigarrenmacher-Zimmer immer äußerst kostengünstig den Tabak zur Verfügung stellt sowie ein "Dankeschön" zu entrichten an die Firma Dannemann in Lübbecke für die Tabakwaren und die Werbepräsente, die wir von Herrn Mann zugestellt bekamen. So unterstützt und abgerundet nahmen die Vorführungen der alten Handwerkskunst  "Zigarrendrehens" an den 4. Burglesumer Kulturtagen "Sommer in Lesmona '97" einen guten Verlauf und fanden einen regen Zuspruch, wobei unser besonderer Dank für die Veranschaulichung an Ludwig Schmidt und Otto Gorke geht.
            Peter Gedaschke